KW-46-2025: #Bataclan – In Gedenken an die Opfer

fotos. christofgraf

Am 13. November 2015 wurden im Zuge einer dschihadistischen Terroranschlagserie in Paris hunderte Konzertbesucher während des Auftritts der Band Eagles of Death Metal im Konzertsaal des Bataclan von drei schwer bewaffneten Terroristen als Geiseln genommen. Die Terroristen feuerten mit Kalaschnikow-Sturmgewehren in das Publikum und warfen Handgranaten in die Menge.[3] Einige der Geiseln meldeten Hinrichtungen und baten die Polizei um Erstürmung des Theaters.[4]

Schon zu Beginn des Anschlags gab es viele Todesopfer und Schwerverletzte, insgesamt wurden im Bataclan-Theater 89 Menschen ermordet, 39 weitere starben bei Angriffen ihrer Komplizen auf Cafés und Restaurants in der Nachbarschaft, ein Mann wurde von Attentätern am Stade de France in den Tod gerissen. Zwei kurz nach der Geiselnahme im Bataclan eingetroffenen Polizisten der Brigade anti-criminalité gelang es, einen der Angreifer zu erschießen. Nachdem mehrere Verhandlungsversuche mit den Attentätern scheiterten und diese die Feuergefechte fortsetzten, stürmten Spezialeinheiten der Polizei (RAID, BRI) den Saal und befreiten hunderte versteckter Gäste. Die verbleibenden zwei Terroristen töteten sich durch Auslösen ihrer Selbstmordwesten im Obergeschoss. Bei der Befreiungsaktion wurde ein Polizist verletzt.[5][6][7]

QUELLE: WIKIPEDIA

 

 

KW-43-2025: VOLBEAT in Frankfurt – Review by Christof Graf

VOLBEAT, BUSH, WITCH FEVER @ Frankfurt, Festhalle
Text & Pics: Prof. Dr. Christof Graf
VOLBEAT`s Vorklang zu Rock am Ring 2026. – So könnte die Überschrift für die Konzertreview der dänischen VOLBEAT-Rocker lauten, die sich derzeit auf ihrer „Greatest Of All Tours Worldwide“ befindet. Mit ihrem aktuellen Album „God Of Angels Trust“, woraus bei den 17 dargebotenen Songs lediglich vier live zu hören sind, rocken sich Frontmann und Gitarrist Michael Poulsen (Gesang, Gitarre), Jon Larsen (Schlagzeug) und Kaspar Boye Larsen (Bass), die nach dem Ausscheiden von Gitarrist Rob Caggiano 2023 nun die Band als Trio bilden, durch ihr Zwei-Stunden-Set. Verstärkt haben sich Volbeat mit Flemming C. Lund (The Arcane Order, Temple Of Scorn) als weiteren Gitarristen.
Der Abend erweist sich zunächst aber erst einmal als kleines „Mini-Festival“ mit zwei „Special Guests“. Um Punkt 19.00 Uhr schlendern zunächst die vier „Hexen“ von „Witch Fever“ aus Manchester auf die spärlich ausgestattete Bühne und überziehen die schon sehr gefüllte Frankfurter Festhalle mit einem Mix aus Grunge und Punkrock und einem Schuss „Doom“. „Witch Fever“ – das sind Amy Walpole (Gesang), Alex Thompson (Bass), Alisha Yarwood (Gitarre) und Annabelle Joyce (Schlagzeug). Sie kombinieren bei ihrem 30-minütigen Auftritt schwere, tiefe Riffs, manchmal schleppende („sludgy“) Passagen, mit intensiven Vocals – manchmal laut, schnell, manchmal geradezu melancholisch. Sie stellen Songs vom Debütalbum „Congregation“ (2022) und ihrem aktuellen Album „Fevereaten“ (2025) vor, darunter die Singles „The Garden“, „Dead To Me“ and „Safe“. 30 Minuten klingt alles roh, konfrontativ und dennoch durchaus eindrucksvoll und eingehüllt in extrem dunkles Bühnenlicht. Danach ist der „Hexentanz“ vorbei, hat aber Lust auf tieferes Eintauchen in die Hexenwelt von „Witch Fever“ gemacht.
Um 19.50 Uhr steht die britische, 1991 gegründete Grunge-Rockband „Bush“ für 45 Minuten auf der Bühne. Es ist ihre erste Europatour seit acht Jahren. Es ist nicht die Band, eher das einzige verbliebene Gründungsmitglied, der Gitarrist und Frontmann Gavin Rossdale, der das Publikum von Anbeginn in Bann zieht. Der Mann, der mit Gwen Stefani verheiratet und mit Sophia Thomalla liiert war und am 30. Oktober diesen Jahres 60 Jahre alt ist, wirkt agiler als so mancher 30jähriger, wenn er die neuen Songs, vom kürzlich veröffentlichten zehnten Studioalbum „I Beat Loneliness“ ins begeisterte Frankfurter Publikum hineinschmettert. Schnell zieht er seine stylische Jacke aus und steht im verschwitzten Muscle-Shirt da. Sein Charisma und die Kraft seiner Performance, lassen die lange Pause vergessen, wenn er Klassiker wie „Machinehead“, „Everything Zen“ oder „Comedown“ abfeiert. Neue Songs wie „Scars“, „60 Ways To Forget People“ und „I Beat Loneliness“ bestechen ebenso durch starke Stimme und mit knackigen Riffs. Bei „Swallowed“ ruft er das Publikum zu einem mit von Smartphones erzeugten Lichtermeer auf. Bei älteren Songs wie „Glycerine“ und „More Than Machines“ schaffen es seine Mitmusiker Leadgitarrist Chris Traynor (seit 2002), Bassist Corey Britz (seit 2010) und Drummer Nik Hughes (seit 2019) den Geist von „Bush“ aufleben zu lassen, als wäre er nie weggewesen. Auch nach den 45 Minuten „Bush“ wirkt das Publikum ausgehungert. Auch von „Bush“ hätte man sich noch mehr gewünscht.
Um 21.10 ist es dann so weit. Der Vorhang, auf dem die Schatten der vier Volbeat-Musiker zu sehen sind, fällt und Michael Poulsen sprintet schnell auf den ins Publikum führenden Laufsteg zu einer in der Mitte der Halle befindlichen Rundbühne. – Diese durften übrigens auch die Special Guests bereits nutzen. – Publikumsnähe ist das Motto des Abends, der mit dem vorantreibenden „The Devil’s Bleeding Crown“ aus dem 2016er-Longplayer „Seal The Deal & Let’s Boogie“ beginnt. Es folgt „Lola Montez“ vom 2013er „Outlaw Gentlemen & Shady Ladies“-Album. Der Volbeat-Style lässt sich nur als konsequenter Mix aus Heavy Metal und Rock and Roll, der oft als Elvis-Metal bezeichnet wird, beschreiben. Volbeat kombinieren in Frankfurt live wie auf Platte Elemente von Heavy Metal mit Einflüssen aus Punkrock, Country und Blues. Und wenn Sänger Michael Poulsen Klänge von Johnny Cashs „Ring Of Fire“ einleitet, über das Poulson sagt, er hat das einfach mal bei „Cash“ geklaut, um es noch besser zu spielen, hört man deutlich. Volbeat sind auch vom Rockabilly-Bands der 1950er und 60er Jahre inspiriert. Volbeat schaffen es quasi von Beginn an, die Frankfurter Festhalle zum Pulsieren zu bringen. Klassiker wie „The Devil’s Bleeding Crown“ und „Fallen“ wechseln mit neueren Songs vom Album „God Of Angels Trust“. Stilistische Vielfalt ist angesagt. Rockabilly‑Riffs, Hard‑Rock‑Grooves und Heavy Metal, alle Register werden gezogen. Theatralik gibt es nicht viel, die Musik steht im Vordergrund. Mit „A Warrior’s Call / Pool of Booze, Booze, Booza“ endet der 90minütige Abend und macht Lust auf „Rock am Ring 2026“. – Dort spielen Volbeat neben Linkin Park und Iron Maiden als Headliner bei der 41. Ausgabe von „Rock am Ring“ vom 5 bis 7. Juni 2026

KW-44-2025: „Zen-Momente bei Bob Dylan in Paris“ – Bob Dylan live in Paris 2025 – Review 2nd Night/ Konzertkritik, 31.10.25 – Tag 2 von 2 – Text & Fotos von Christof Graf (German & English)

Paris II (2025) ist mein fünftes Konzert in sechs Tagen. In Amerika brachte ich es beim dritten Leg der 2025er Outlaw-Festival-Tour einmal auf drei Outlaw-Dylan-Konzerte in drei verschiedenen Städten an einem Wochenende. Nach drei aufeinanderfolgenden Tagen in Brüssel, folgt mit „Paris II“ für mich ein Nachschlag in Sachen Konsum einer mehrfachen Wiederholung eines in diesem Jahr sich nicht veränderten Konzertformats. Würde sich denn bei meinem fünften Konzert in sechs Tagen etwas ändern? Warum sollte Dylan überhaupt etwas ändern wollen. Dylan tritt nicht für die auf, die der Aufführung seiner Werke wiederholt beiwohnen möchten. Er spielt auch nicht für die, die selbst im Jahr 2025 noch immer auf ein „Best Of…“ mit Songs wie „Blowin`in the Wind“ oder „Knockin` on Heaven`s Door“ hoffen. Er spielt für sich und für sein Werk. Seiner hohen Kunst der Wiederholung muss man sich stellen wollen. Immer ist das mit Aufwendungen verbunden. Tickets, Anfahrt und gegebenenfalls Übernachtungen machen die Kunsterfahrung aufwendig. Aber mit Dylan kommt man herum, reist viel, sieht viel. Auch damit eröffnet er Horizonte. Paris, 31. Oktober 2025. Das sind 13 Tage vor dem 10. Gedenktag an das entsetzliche Attentat auf das „Bataclan“ am 13. November 2015. Bei einem dortigen Konzert der „Eagles Of The Death Metal“ wurden durch einen terroristischen Anschlag 89 Menschen ermordet.

Paris, 31. Oktober 2025. Das ist auch ein Besuch auf dem „Père Lachaise“, dem legendären Pariser Friedhof, wo z.B. u.a. auch Edith Piaf, George Moustaki oder Jim Morrison begraben sind.

Paris, 31. Oktober 2025. Das bedeutet auch „Halloween“ in Paris. Spinnenweben und riesige Skelette an den Häusern, wie ich sie z.B. zwei Jahre zuvor bei Dylans Konzert in Montreal en masse gesehen hatte, sehe ich in Paris nicht.

Alles irgendwie Symbole, für das auch Dylans Album „Rough And Rowdy Ways“ steht: Reflexion über Vergangenheit und Gegenwart, Suche nach einer verlorenen Zeit, Bewusstwerden der Vergänglichkeit, Gedanken über Leben und Tod.

Nach dem Dylan-Konzert begegnen mir in der Pariser Innenstadt viele junge Menschen in Halloween-Kostümen oder stehen in solchen Kostümen vor Clubs an. Junge Menschen gibt es aber auch im Pariser Publikum. Mehr als in Brüssel. Von der Boomer-Generation über die Gen Y bis zur Gen Z ist alles präsent. Auch im Pariser Palais weht der Hauch des Abschiedes und die Wehmutsstimmung, Dylan womöglich ein letztes Mal in der französischen Hauptstadt erleben zu können. Irgendwann werden vielleicht, anstatt Konzerte von Bob Dylan nur noch sein Avatar zu sehen und hören sein. Irgendwann werden nur noch Biopics über Dylan zu sehen sein, anstatt ihn „live in concert“ erleben zu können. Apropos Promotion: Plakate zur Bewerbung der Pariser Konzerte gibt es 2025 kaum.

Die Konzerte waren schnell ausverkauft. Nur vereinzelt sieht man am 31. Oktober noch irgendwo in einem Metro-Schacht ein altes Plakat hängen. Omnipräsent dagegen ist die Plakatwerbung für den auf dem gerade auf dem Disney-TV-Kanal anlaufenden „Like A Complete Unknown“-Film.

Alles kleine Details, auf die man achtet, wenn man durch fremde Städte auf dem Weg zu Dylan-Konzerten pilgert. Ebenso achtet man auch auf die kleinen Details der Veränderung in den jeweiligen Konzerten, wenn man davon einige innerhalb kurzer Zeitabstände besucht. Paris II hat davon wieder einige zu bieten.

Dieses Mal bin ich etwa eine Stunde vor dem pünktlichen Konzertbeginn um 20.00 Uhr im Palais. Die Eingangskontrollen sind wieder moderat. Viele Pariser halten sich nicht an die Zwangsabgabe ihrer Smartphones, und schauen noch bis kurz vor 20.00 Uhr gelegentlich darauf, um kurz die Uhrzeit zu checken oder womöglich letzte news zu lesen. Sie halten sich aber an Dylans „Wunsch“, die Smartphones nicht während des Konzertes zu gebrauchen. Kein einziges Mal sieht man während Dylans 100 Minuten-Andacht ein Display aufleuchten. Wenn man Tickets für die nicht viel günstigeren Plätze im hinteren, gar oberen Bereich des Palais (für ca. 150 Euro) gekauft hatte, ist der Blick auf Dylan nicht schlechter, als wenn man im Parterre und auf den ersten 20-30 vorderen Plätzen sitzt. Die Akustik empfinde ich als zuträglich. Besser als am Tag zuvor. Der Sound kommt nicht an die letzten beiden Konzerte im Bozar heran. Trotz besserer Aussteuerung gegenüber dem ersten Abend, hallt der Klang zu „kalt“ in den Gemäuern der Kongresshalle nach. Aber er passt zu der spartanischen Darbietung, dem wenigen Licht und der Stimmung im Saal. Fast erinnert die Atmosphäre an die in einem „Zendō“, einem spirituellen Dōjō in Zen-Tempeln, in denen „Zazen“, also Meditation praktiziert wird. Ja, Paris II offeriert mir solche Zen-Momente. Der erste „Zen-Moment“ erschließt sich mir bei „Black Rider“. Später kommen weitere „Zen-Momente“, insbesondere bei den „Spoken-Word“-Songs wie z.B. bei „My Own Version Of You“, „Key West“ oder gar beim walzerartigen „Mother Of Muses“ hinzu. – Ich entziehe mich dem Standbild auf der Bühne, das nicht viel an Abwechslung zu bieten hat, schließe die Augen und steige zunächst in das Lied „Black Rider“ ein und begleite gedanklich den schwarzen Reiter. Er erzählt davon, sich mit seinem Leben abzufinden, mit Würde vorauszugehen, um schließlich ebenso würdevoll Abschied zu nehmen.

Ich erinnere mich an das Buch „Bargainin‘ for Salvation: Bob Dylan, a Zen Master?“ von Steven Heine von der Floria International University aus dem Jahr 2009. Darin äußert er Gedanken, wie Bob Dylans Wortgut mit Zen in Verbindung gebracht werden kann. Ich erinnere mich auch an einen Artikel mit dem Titel „Bob Dylan’s Zen Garden – Cross-Cultural Currents in his approach to religiosity“ des FIU Asian Studies Program vom gleichen Autor aus dem Jahr 2016, das Zen-Parallelen in Dylans Werk untersucht. (https://asian.fiu.edu/jsr/heine-dylanzen-article2.pdf)

Ja, Bob Dylan zeigte schon lange vor „Black Rider“ in der Vergangenheit schon zu Beginn seiner Karriere eine Affinität zum Zen, da viele seiner Texte die buddhistischen Konzepte von „Sehen, wie die Dinge wirklich sind“, moralischer Kausalität (Karma) und der Auseinandersetzung mit der Leere widerspiegeln. Zen-ähnliche Aspekte wie das Sehen, wie die Dinge wirklich sind, lassen sich in einigen seiner Songs erkennen. Gerade in Texten, die von den Beat-Poeten beeinflusst sind, scheint Dylan die Zen-Haltung zu spiegeln, indem er Täuschungen überwindet. Das Thema „Karma“, die Vorstellung, dass „jeder etwas zurückgeben muss für etwas, das er bekommt“ wird in schon in früheren Songs wie z.B. „Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again“ angesprochen. Und auch in „4th Time Around“ wird das thematisiert und ähnelt dem buddhistischen Karma-Konzept. Bei Songs der „The Basement Tapes“ wie z.B. „Too Much of Nothing“ und „Nothing Was Delivered“ erforscht Dylan z.B. die Auswirkungen der Leere oder die der spirituellen Leere.

Schon am ersten Abend, und vielleicht ist es wirklich nur der Atmosphäre dieses Kongresssaales geschuldet, entwickelt sich bei mir bei „Black Rider“ daher die Assoziation, Dylans Lyrik mit Zen zu verbinden. Nein, einen direkten, bewiesenen Zusammenhang zwischen den Liedern von Bob Dylan und dem Zen-Buddhismus gibt es ebenso wenig, wie die Blaupause für die Interpretation seiner Texte. Einige der RARW-Texte weisen aus meiner Sicht jedoch durchaus thematische Parallelen auf, die an Zen erinnern. Dazu gehören die Suche nach Wahrheit, die Darstellung von Paradoxen und die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen, sei es nun Tod und nahende Vergänglichkeit in „Black Rider“ (Song No. 6), die Liebe in „My Own Version Of You“ (Song No. 7) oder eben das Leben in „To Be Alone With You“ (Song No. 8) und in „Crossing the Rubicon“ (Song No. 9).

Ein Großteil seiner (nicht nur) RARW-Songs handeln von einer Suche nach einem tieferen Verständnis oder einer Wahrheit, ähnlich der spirituellen Suche im Zen. Dylan kritisiert oft Werte, die auf die Überwindung von Anhaftung abzielt, was sich ebenso mit der Zen-Lehre erklären lässt. Dylans Texte enthalten oft paradoxe Bilder und behandeln existenzielle Fragen, die an die Paradoxa des Zen erinnern und die zum Überwinden des dualistischen Denkens anregen sollen. Gerade in den RARW-Texten reflektiert er über die menschliche Existenz und die Schwierigkeiten des Lebens, was auch ein zentrales Thema im Zen ist. In Paris II empfinde ich Dylans 17 Songs aufgrund der nüchternen, distanziert wirkenden Atmosphäre besonders als ein Angebot zur Meditation „in concert“. Ein Angebot zur Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks, des gegenwärtigen Bewusstseins. Glauben und Religion setzt er nicht voraus. Dennoch verlangt er das Einlassen auf seine Texte, was im Herbst 2025, seitdem er sich der Visualisierung seiner Person beim Vortrag geradezu entzieht und störende Elemente wie „Showelemente“, Licht und eben z.B. auch Smartphones nicht toleriert. Für die, die sich darauf bewusst oder unbewusst einlassen wollen, schafft er mit seiner gegenwärtigen Performance Raum, Zeit und Leere, fast wie in einem Zendō. Und er lässt Raum für neue Details. In „When I Paint My Masterpiece“ spielt er im Gegensatz zu Paris I noch ein drittes Mal Gitarre. Im Gegensatz zu Paris I greift er neben den bis dato bekannten „Harp“-Songs zusätzlich noch bei „Watching The River Flow“ und „Goodbye Jimmie Reed“ erneut zur Mundharmonika. Das ist seine Art der Interaktion mit dem Publikum, Worte an das selbige richtet er wieder nicht. Nach wenigen kurzen Erhebungen von seinem Klavierhocker und sekundenlangem Stehen ist die halbminütige Verabschiedung stehend und sich dem jubelnden Applaus stellend, die offensichtlichste Interaktion mit  dem im Vergleich zum Vorabend lauter und intensiver jubelnden Pariser Publikum. Auch honoriert das Pariser Publikum an diesem Abend Dylans „Angebot“ von Tiefgang und musikalischer Vielfalt zwischen viel Spoken Word, Blues, Jazz und Bossa-Nova, einigem älteren Liedgut und neun von zehn „RARW“-Songs immer wieder mit spontanen Standing Ovations zwischen den Songs. Nach 100 Minuten ist die „Pilgerreise“ in Dylans „Zen“ beendet. Dylan steht im übergroßen blauen Jackett und schwarzer Hose und gewohnt angewinkeltem Arm in der Hüfte bühnenmittig da, dreht sich um und geht. Das „Zazen“ ist zu Ende.

KW-44-2025: „Pariser Leinwände“ – Bob Dylan live in Paris 2025 – Review 1st Night/ Konzertkritik, 33.10.25 – Tag 1 von 2 – Text & Fotos von Christof Graf (German & English)

Vom Arc de Triomphe zum Palais des Congrès de Paris, der Kongress- und Veranstaltungshalle im 17. Arrondissement von Paris sind die knapp zwei Kilometer zu Fuß in etwa 20 Minuten zu bewältigen oder man fährt wie am zweiten Abend mit der Metro, dann schafft man es in knapp fünf Minuten.

Noch nie bin ich bei einem Bob Dylan-Konzert zu spät gekommen, aber bei diesem. In Paris ist es einfach, die Zeit zu vergessen oder sich in Entfernungen zu täuschen. Anyway, viele Wege führen in diesem Falle nach Paris und irgendwann ist man trotz aller „rough and rowdy ways“ dort, wo man sein möchte. So elegant und „pariserisch“ die Bezeichnung „Palais des Congrès de Paris“ auch klingt, der Palais ist es nicht. Nach drei Brüsseler Abenden in einem belgischen klassischen und in der Tat außen und innen elegant wirkenden „Bozar“ wirkt das sogenannte „große Amphitheater“ (Grande amphithéâtre) mit 3.723 Sitzplätzen eher nüchtern, wie eine Kongresshalle eben. Beide Abende sind nahezu ausverkauft. Kommt man mit der Metro an, führen die Treppenaufgänge direkt ins Foyer. Kommt man zu Fuß auf die Halle zu, wirkt die Location wie eine dieser typischen Kongresshallen aus den 1970er Jahren. Unspektakulär aber funktional. Nüchtern. Kein Plakat macht darauf aufmerksam, dass hier zwei Tage eine Legende Kunstwerke aufführt. Die angekündigten Kontrollen der Smartphones laufen recht moderat ab. Die Halle wirkt, als könne sie mehr als diese 3723 Sitzplätze anbieten. Als sie um Punkt 20.00 Uhr abgedunkelt wird, erscheinen fünf Musiker auf der danach nicht viel helleren Bühne. Einer davon ist Bob Dylan, die anderen gehören zu seiner derzeitigen „Rough And Rowdy Ways“-Tourband. Was folgt ist mit dem Satz “Same procedure as every year“ aus “Diner For One” zu beschreiben: “Same procedure as every concert this year“. Es gibt keine Veränderung der Setlist gegenüber den letzten diesjährigen Herbst-Konzerten. Dylan „versteckt“ sich hinter seinem Klavier. Er spielt als Einführung mal wieder sitzend, mit dem Rücken zum Publikum jeweils die ersten zwei Minuten der ersten beiden Songs „I’ll Be Your Baby Tonight“ und „It Ain’t Me, Babe“ mit der auf einem Hocker bereitliegenden E-Gitarre. Richtig sehen tun das nur wenige. Wissen tun das diejenigen, die schon RARW-Shows zuvor gesehen haben.

Viel zu sehen gibt es vom Meister seit diesem Sommer kaum noch. Es gibt gar geradezu kaum eine Chance auch nur einen Blick auf den Maestro werfen zu können. Für jene, die das schon von ihm kennen, ist das zwar keine Überraschung aber immer noch Enttäuschung. Für jene, die das zum ersten Mal erleben, ist es Enttäuschung pur. Wer teure Tickets in den ersten Reihen kauft, sieht von Dylan nichts. Die ersten beiden Songs wirken polternd. Sie sind noch etwas unausgesteuert. Um „Dylan live in concert 2025“ dylanesque zu erleben, muss man sich einen neuen eigenen Ansatz suchen. Einige verzichten darauf und verlassen schon nach dem ersten Drittel den Saal. Andere verlassen den Saal für einige Songs, um sich ein Getränk zu genehmigen. Getränke in der Halle sind nicht erlaubt. Wenn sie zurückkommen haben sie showmäßig nichts verpasst. Für sie muss es wirken, als würden sie das Konzert dort weitersehen, wo sie die „Pause-Taste“ gedrückt hatten. Musikmäßig haben sie jedoch wahre Songperlen verpasst, wie z.B. „Crossing The Rubicon“, das Dylan mit Klavierpassagen verziert oder wie z.B. das wie ein „Rap“ an diesem Abend klingende „My Own Version Of You“.

Wenn man weiter oben auf den Rängen sitzt, ist das Kommen und Gehen gut zu beobachten. Die, die als Zeitzeuge von Dylans Entstehen seines musikalischen Gemäldes beiwohnen möchten, stört das Aufstehen müssen. Man kann sogar auf Entfernung vermuten, wie sie Grimassen ziehen, wenn sie aus ihrer Andacht gerissen werden, um jemand fürs Pinkeln oder Biertrinken vorbeizulassen. – 100 Minuten Dylan sind heilig. Da darf nicht gestört werden.

Die 17 Songs in Paris I offerieren ungeachtet der nicht optimalen Akustik einige  Songperlen. Die eine glänzt jedoch etwas mehr als die andere. Perlen sind es schließlich alle, auch wenn Bob Dylan an diesem ersten Pariser Abend nicht alle zum Glänzen bringen konnte. Vielleicht war er müde, vielleicht nicht konzentriert. Einige Songzeilen vernuschelte er schon beim dritten Song, „I Contain Multitudes“. Einige weitere vernuschelt  gleich danach in „False Prohet“. Dem Zusammenspiel mit der wiederum sehr gut aufeinander abgestimmten Band an diesem Abend tut das keinen Abbruch. Die Band „bügelt“ über das „Nuscheln“ drüber. Bei „Black Rider“ klingt das Echo etwas zu hart.

Die erste wahre Songperle in Paris 2025 ist „When I paint My masterpiece”. Selten erlebte ich diesen Song bei meinen bis dahin 19. RARW-Konzerten, derart intim vorgetragen. Dylan inszeniert dieses Lied nicht, er zelebriert es. Er wirft mit seinen Worten Bilder auf eine imaginäre Leinwand in den Köpfen seiner Zuhörer.

Sehen, wer sie singt, tun die Zuhörer sowieso nicht. Viel ist im statisch dunklen Gelb ohne jegliche Schattierungen nicht zu sehen. Zu erkennen sind eigentlich nur stoisch wirkende Schatten, die sich wie in Zeitlupe um den Mann am Klavier dezent bewegen. Vielmehr als Dylans angestrahlter Kopf, der wie das Plattencover der „Greatest Hits Volume 3“ wirkt, ist vom Maestro nicht zu sehen.

Die Bühne wirkt durch die Reduktion des Lichtdesigns kleiner in dieser großen nüchternen Halle, als sie es tatsächlich ist. Mehr Licht gibt es nicht. Selbst an den drei Tagen zuvor im Bozar war es heller und atmosphärisch dichter. In Paris herrschte Dunkelheit. Ebenso wie es keine Lösungsmuster für die Interpretation seiner Texte gibt, ebenso gibt es kein Licht. In all dem Dunkel klingen die eigenen Gedanken beim Zuhören umso „heller“ nach. Ich habe den Eindruck Dylan tritt gerade bei „When I Paint My Masterpiece“ mit dem Publikum in Dialog. Er greift zur Mundharmonika, was die Pariser mit spontanem Applaus goutieren. Später tut er das bei „Desolation Row“ und bei „Very Grain Of Sand“ (also immer bei den älteren Songs) noch einmal. Mit dem Publikum spricht Dylan nicht, weder zu Beginn, währenddessen noch am Ende. Wenn er zur Mundharmonika greift, wirkt das fast wie eine Art „Ersatz-Kommunikation“ mit dem Publikum, das dies sofort mit spontanem Applaus dankend quittiert. Aber zurück zum „Masterpiece“. Beim genauen Hinhören, verstehe ich fast jeden Satz. Dylans Stimme ist bis auf gelegentliches Nuscheln stark, durchdringend und dennoch immer etwas nasal. Beim „Masterpiece“ ist die Stimme glasklar und im Kongresssaal herrscht dabei andächtige Stille. Worte wie „Someday, everything is gonna be smooth like a rhapsody/ When I paint my masterpiece” klingen nach. “Someday, everything is gonna be different/ When I paint my masterpiece” wirken, als würde er mit einem Pinsel seine Worte auf eine Leinwand klatschen. Der Betrachter darf dann quasi zeitgleich in dem daraus entstandenen Bild sehen, was er möchte. Je mehr Dylan-Konzerte ich besuche, umso mehr mache ich mir über die gehörten Lieder Gedanken. Ich lasse sie nachklingen. Die Lieder bekommen von Mal zu Mal eine neue Tiefe, eine Güte, gar eine neue Bedeutung, als ich ihnen irgendwann mal zuvor zugeschrieben hatte oder aber sie behalten ihre alte Bedeutung, quasi als eine Art Bestätigung und Zustimmung für das, was man dem Lied einmal zuschrieben hat. „Masterpiece“ thematisiert schon immer die Unsicherheit und das Streben nach einem idealen Zustand, der alles Negative hinter sich lassen könnte, auch wenn es eine nie endende Suche ist. Dylan beschrieb diesen „idealen Zustand“ einmal als einen Ort „jenseits der eigenen Erfahrung, der so überragend ist, dass man ihn nicht mehr verlassen möchte.“ – Alte  Bedeutung, neue Tiefe aus meiner Sicht der Dinge. – An diesem Abend, liegt dieser Ort zumindest für einen Song lang in Paris. Nirgendwo sonst, habe ich Dylans „Wunsch nach Vollendung“, seine Sehnsucht, ein Meisterwerk zu erschaffen, das die eigene Unsicherheit und bisherige Arbeit abschließt intensiver wahrgenommen als in Paris I. „Masterpiece“ wird zur Einladung in Dylans musikalische Vernissage voller leerer Leinwände. Er groont ein wenig, singt oder spricht die meiste Zeit seine Texte zu Blues, Folk, Country, Latin und Jazz. Sein eigenes Antlitz entzieht er den Blicken. Irgendwie kommt es mir vor, als will er mit den langsamen letzten Liedern „I`ve Made Up My Mind To Give Myself To You“ und „Mother Of Muses“ seine letzten Gemälde des ersten Pariser Abends präsentieren. Mit dem rock`n`roll-haften „Goodbye Jimmy Reed“ wird es laut und schnell. Der „scheppernde“ Sound passt gut zur Nüchternheit des Saales. Zeichen seiner Vielfalt.  – Seit Beginn seiner Karriere versuchte er aus dem Schatten zu treten. Am Ende seiner Karriere tritt er wieder dorthin zurück. Ein paar Momente nach dem letzten Song „Every Grain Of Sand“ steht er vom Klavierhocker auf, geht langsamen Schrittes zur Bühnenmitte, winkt seine Band zu sich und schaut stillschweigend ins jubelnde Publikum. Eine letzte Chance, die Legende für 20 Sekunden schließlich doch noch im Licht der nun für kurze Zeit erhellten Bühne zu sehen. Neben dem Harmonikaspiel und dem Präsentieren seiner imaginären Leinwände ist das die dritte Form und an diesem Abend auch die letzte, mit der er mit dem Publikum „kommuniziert“. – Ich freue mich auf eine weitere Nacht in Paris.

KW-44-2025: „Brussels, I`ve already outlived my life by far“ – Bob Dylan in Brussels 2025 – Review 3rd Night/ Konzertkritik, 28.10.25 – Tag 3 von 3 – von Christof Graf (German & English)

 „Brussels, I`ve already outlived my life by far“ – Bob Dylan in Brussels 2025 – Review 3rd Night/ Konzertkritik, 28.10.25 – Tag 3 von 3 – von Christof Graf (German & English)

Dienstagabend, 28. Oktober 2025, ich schaue auf die Uhr und es ist 22.08 Uhr (10.p.m.). Es ist knapp eine halbe Stunde nach dem dritten Bob Dylan-Konzert in Folge im Bozar in Brüssel in diesem Jahr. Ich fahre aus einer nahegelegenen Tiefgarage und schalte das Navi ein. Vom Palais des Beaux-Arts in Brüssel zum Palais des Congrès in Paris sind es etwa 312 Kilometer. Der Weg führt vom Brüsseler Zentrum durch diverse Stadtteile der belgischen Hauptstadt zum Autobahnring und von dort auf die E19 und die A1 in die französische Hauptstadt. Schon am ersten Kreisverkehr unweit des Bozar sehe ich Bob Dylans Tourbus, der vor mir in den Kreisverkehr einlenkt. Von da an haben Bob Dylan und ich für 20 Minuten den gleichen Weg in Richtung „Brüsseler Ring“. Danach trennen sich unsere Wege und ich werde ihn wohl erst wieder in Paris für weitere 100 Minuten auf der Bühne erleben.

Flashback, Bozar, Dienstagabend, 28. Oktober 2025, 20.00 Uhr. Das Saallicht geht aus. Das Konzert beginnt pünktlich. Die Location, die Bühne, die Band und die Setlist bleiben wieder unverändert. Dylan betritt nach Doug Lancio und Tony Garnier wieder als dritter die Bühne. Dann nimmt Anton Fig an seinem Schlagzeug Platz und Bob Britt geht auf seinen Gitarrenständer zu. Dylan schaut nicht ins Publikum, dafür aber sofort zu seinen musikalischen Mitstreitern. Allen voran richtet er den Blick zu Tony Garnier. Der nickt zurück. Dylan setzt sich – wie an den Vorabenden mit dem Rücken zum Publikum – auf den Klavierstuhl. Er greift zu seiner auf einer kleinen Sitzbank liegenden Gitarre und beginnt mit „I´ll Be Your Baby, Tonight“. Jene, die bereits an einem oder gar an beiden der Vorabendkonzerte schon im Bozar anwesend waren, konnten schon zu Beginn den Eindruck bekommen, Dylan fühlt sich wohl, fühlt sich gut. Willkommen, war er definitiv. Das Publikum bejubelte ihn frenetisch bereits beim Betreten der Bühne und danach noch einmal beim Erkennen der ersten Textzeilen frenetisch. Von da an gab es nach jedem Song Standing Ovations und manchmal sogar mitten im Song begeistertes Applaudieren. Die gute Laune des Publikums übertrug sich schnell auf die Spielfreude von Bob und seiner Band.

Der Besuch eines dritten Konzertes in Folge eröffnet dem Zuhörer neue Sichtweisen auf das präsentierte Liedgut. Auch wenn es dieselben Lieder sind, man hört sie anders. Man achtet auf Anderes. Mir fällt auf, dass Dylan an diesem Abend die Texte viel akzentuierter vorträgt. Bei vielen Songs spürt man geradezu, wie wichtig es Dylan zu sein scheint, dass man sich auf sein Konzert einlässt und wie dankbar er zu sein scheint, wenn dies geschieht.  Diese Einlassung erfährt man an diesem Abend des Öfteren und besonders bei dem epischen „Key West“. Dabei vermittelt Dylan seinem Brüsseler Publikum als der erzählende „Philosopher Pirate“ seine Gedanken in Form einer Reflexion über die Vergangenheit. Streckenweise wirkt er wie ein Professor, der seinen Studenten Sichtweisen zum Angebot macht. Das Publikum im wieder ausverkauften Bozar ist bei seinen „Vorlesungen“ nicht nur aufmerksamer Zeuge, sondern auch dankbarer Zuhörer. Jeder Song wird nach Beendigung geradezu enthusiastisch mit Klatschen und respektvollen Jubelrufen gefeiert. Bejubelt wird dabei aber auch die Band, die sich gerade bei diesem Lied auffällig vornehm zurücknimmt. Tony und Anton sorgen dezent für Rhythmus und Doug Lancio (wieder mit Schiebermütze) und Bob Britt streuen gelegentliche Gitarrenklänge in den zehnminütigen Vortrag ein. Alle und Alles wirken höchst konzentriert. Selbst das Publikum (wieder vor allem aus Boomern bestehend) konzentriert sich und lässt sich tiefer auf Dylans Performance ein als das Publikum der Vorabende. Der Saal ist ebenso abgedunkelt und die Bühne ebenso eindimensional dunkelrot-gelb beleuchtet wie am zweiten Brüsseler Abend. Der Sound ist noch besser, geradezu perfekt abgemischt. Dylans Stimme wirkt glasklar und man versteht von den Texten mehr als an den Abenden zuvor. Zeilen, wie „I´ve grown so tired of chasing lies/ Mother of Muses wherever you are/ I`ve already outlived my life by far” klingen nach. Auch ein kleines Echo bei “Black Rider” ist zu hören. Dylan ist in seinen Elementen. Er gibt nur zweimal ein kurzes Handzeichen an Bob Britt, als kleine „Vorwarnung“ bei den da kommenden Zeilen auf gar keinen Fall auch nur einen Ton zu viel zu spielen. Britt setzt das Handzeichen verstehend und nickend um. Die Güte eines Konzerterlebnisses aus Publikumssicht hängt auch immer vom Sitzplatz, von der Sicht und von der Umgebung ab. Auch die war am dritten Brüsseler Abend zumindest für mich geradezu perfekt. Am dritten Abend sitze ich auf dem ersten Balkon und schaue stage-left auf die Bühne. Ich entdecke neue Details. Zwei Becher stehen links von Dylan auf einem Beistelltisch. Hin und wieder nimmt er daraus einen Schluck. Dylan ist wieder ganz in Schwarz gekleidet. Schwarzes T-Shirt unter schwarzem Anzug, schwarze Schuhe, schwarze Socken. Auch der Rest der Band trägt schwarz. Bei den schnelleren Songs wippt Dylan mit dem linken Bein kontinuierlich im Takt. Bei den ersten zwei Songs greift Dylan zur Gitarre. Bei den vier Songs, „When I Paint My Masterpiece“, „To Be Alone With You”, “Desolation Row” und beim finalen “Every Grain Of Sand” spielt er streckenweise Mundharmonika. Das Konzert unterliegt einer gewissen Dramaturgie mit wenigen lauteren, schnelleren Nummern wie z.B. „Goodbye Jimmy Reed“ und vorwiegend leiseren, langsamen Nummern. Eine kleine Überraschung: Dylans Gesicht ist in hellem unaufdringlichem Licht den ganzen Abend zu sehen. Die im Parterre Sitzenden sehen das nur, wenn er alle zwei, drei Songs kurz aufsteht. Die auf den Balkonen Sitzenden erleben im Vergleich zu den Vorabenden ein geradezu ungewohnt angestrahltes Gesicht von Bob Dylan. Die etwas näher Sitzenden sehen sogar das Verziehen seines Mundes, das Fletschen seiner Zähne, wenn er Worte in die Länge zieht oder sie einfach nur staccatoartig herauspresst. Und bei manchen Versen erkennt man auch ein Lächeln, ein Schmunzeln und manchmal sogar fast schon ein kleines Lachen, über sein eben vorgetragenes Wort. Die Phrasierung der Stimme ist präzise. Der dritte Brüsseler Abend wirkt entspannt und motiviert. Sobald Dylan keine Anfangsschwierigkeiten wie z.B. am ersten Brüsseler Abend erlebt, das Mikrofon richtig positioniert ist, der Saalklang optimal ist und das Publikum im Sinne Dylans richtig reagiert, scheinen alle Voraussetzungen für seine Spielfreude optimal erfüllt zu sein. Es kommt etwas auf, was man als sich kontinuierlich steigernde atmosphärische Dichte beschreiben könnte. Erlebt Dylan eine solche kontinuierlich hochwertige Stimmung, scheint sich diese von Song zu Song auch ebenso kontinuierlich hochwertig in ihrer Darbietung zu entwickeln. Das Wechselspiel zwischen Kunst, Künstler und Publikum wird zur Melange und für alle Beteiligte zu einem gelungenen Abend. An diesem Abend ist alles gelungen. Eine Erwartungshaltung an „Paris“ habe ich nicht, Vorfreude ist allerdings schon vorhanden. See you in Paris.

 

KW-44-2025: „Brussels, I`ve already outlived my life by far“ – Bob Dylan in Brussels 2025 – Review 3rd Night/ Konzertkritik, 28.10.25 – Tag 3 von 3 – von Christof Graf ( English)

Tuesday evening, October 28, 2025, I look at the clock and it is 10:08 p.m.. It’s just under half an hour after the third Bob Dylan concert in a row at the Bozar in Brussels this year. I drive out of a nearby underground car park and switch on the navigation system. From the Palais des Beaux-Arts in Brussels to the Palais des Congrès in Paris it is about 312 kilometers. The route leads from the centre of Brussels through various districts of the Belgian capital to the motorway ring road and from there on the E19 and the A1 to the French capital. Already at the first roundabout not far from the Bozar I see Bob Dylan’s tour bus, which turns into the roundabout in front of me. From then on, Bob Dylan and I have the same route towards the „Brussels Ring“ for 20 minutes. After that, we part ways and I will probably see him again in Paris for another 100 minutes on stage.

Flashback, Bozar, Tuesday evening, October 28, 2025, 8:00 p.m.. The hall lights go out. The concert starts on time. The location, the stage, the band and the setlist remain unchanged again. Dylan re-enters the stage in third place after Doug Lancio and Tony Garnier. Then Anton Fig takes a seat at his drum kit and Bob Britt walks up to his guitar stand. Dylan doesn’t look at the audience, but immediately at his musical comrades-in-arms. Above all, he directs his gaze to Tony Garnier. He nods back. Dylan sits down on the piano chair – as on the previous evenings with his back to the audience. He grabs his guitar lying on a small bench and starts with „I’ll Be Your Baby, Tonight“. Those who were already present at one or even both of the previous evening’s concerts at the Bozar could get the impression right from the beginning that Dylan feels comfortable, feels good. Welcome, he definitely was. The audience cheered him frenetically as soon as he entered the stage and then again frenetically when recognized the first lines of the lyrics. From then on, there were standing ovations after each song and sometimes even enthusiastic applause in the middle of the song. The good mood of the audience quickly transferred to the joy of playing of Bob and his band.

Attending a third concert in a row opens up new perspectives on the songs presented to the listener. Even if they are the same songs, you hear them differently. You pay attention to other things. I notice that Dylan performs the lyrics much more accentuated this evening. With many songs you can almost feel how important it seems to be to Dylan that you get involved in his concert and how grateful he seems to be when this happens.  This statement is often heard this evening and especially during the epic „Key West“. As the narrating „Philosopher Pirate“, Dylan conveys his thoughts to his Brussels audience in the form of a reflection on the past. At times, he seems like a professor who offers his students perspectives. The audience in the sold-out Bozar is not only an attentive witness to his „lectures“, but also a grateful listener. After completion, each song is celebrated almost enthusiastically with clapping and respectful cheers. But the band is also cheered, which is conspicuously distinguished especially during this song. Tony and Anton discreetly provide rhythm and Doug Lancio (again with flat cap) and Bob Britt sprinkle occasional guitar sounds into the ten-minute lecture. Everyone and everything seem highly concentrated. Even the audience (again consisting mainly of boomers) concentrates and engages more deeply with Dylan’s performance than the audience of the previous evenings. The hall is just as darkened and the stage is just as one-dimensionally lit in dark red and yellow as on the second evening in Brussels. The sound is even better, almost perfectly mixed. Dylan’s voice seems crystal clear and you understand more of the lyrics than on the evenings before. Lines like „I`ve grown so tired of chasing lies/ Mother of Muses wherever you are/ I‘ ve already outlived my life by far“ resonate. A small echo of „Black Rider“ can also be heard. Dylan is in his element. He only gives Bob Britt a short hand signal twice, as a small „warning“ not to play even one note too many on the following lines. Britt implements the hand signal, understanding and nodding. The quality of a concert experience from the audience’s point of view always depends on the seat, the view and the surroundings. This was also almost perfect on the third evening in Brussels, at least for me. On the third evening, I sit on the first balcony and look stage-left at the stage. I discover new details. Two mugs stand on a side table to Dylan’s left. Every now and then he takes a sip from it. Dylan is dressed all in black again. Black T-shirt under black suit, black shoes, black socks. The rest of the band also wears black. During the faster songs, Dylan bobs his left leg continuously to the beat. For the first two songs, Dylan picks up the guitar. On the four songs, „When I Paint My Masterpiece“, „To Be Alone With You“, „Desolation Row“ and the final „Every Grain Of Sand“ he plays harmonica at times. The concert is subject to a certain dramaturgy with a few louder, faster numbers such as „Goodbye Jimmy Reed“ and mainly quieter, slow numbers. A little surprise: Dylan’s face can be seen in bright, unobtrusive light all evening. Those sitting on the ground floor only see this when he gets up briefly every two or three songs. Compared to the previous evenings, those sitting on the balconies experience an almost unusually illuminated face of Bob Dylan. Those sitting a little closer even see the twisting of his mouth, the baring of his teeth when he drags out words or simply squeezes them out in a staccato manner. And in some verses you can also see a smile, a smile and sometimes even a little laugh about his just recited word. The phrasing of the voice is precise. The third evening in Brussels seems relaxed and motivated. As soon as Dylan does not experience any initial difficulties such as on the first evening in Brussels, the microphone is positioned correctly, the hall sound is optimal and the audience reacts correctly in Dylan’s sense, all the prerequisites for his joy of playing seem to be optimally fulfilled. Something arises that could be described as a continuously increasing atmospheric density. If Dylan experiences such a continuously high-quality atmosphere, it seems to develop from song to song just as continuously high-quality in her performance. The interplay between art, artist and audience becomes a melange and a successful evening for all involved. On this evening, everything was successful. I don’t have any expectations of „Paris“, but anticipation is already there. See you in Paris.